Bundeswehr-Sondervermögen: Wir brauchen Militär-Robotik!
Seit der Ankündigung eines „Sondervermögens“ in Höhe von 100 Mrd. Euro hat die Rüstungsindustrie sehr an Ansehen und auch Wert gewonnen. Wollte die EU zuvor Rüstungsunternehmen faktisch vom Kapitalmarkt ausschließen, ist davon nun keine Rede mehr. Zugleich sind die Geschäftsaussichten der Branche massiv gestiegen. Am besten vielleicht sichtbar an der Aktie der Rheinmetall AG, die sich binnen eines Tages fast verdoppelt hatte.
Was lehrt uns der Ukraine-Krieg?
Der Überfall Russlands auf die Ukraine lehrt uns einiges. Er lehrt vorrangig, dass eine Wehrhaftigkeit nicht schaden kann. Was aber ist hierunter zu verstehen? Kiew wurde nicht mit Panzern gerettet, sondern mit Drohnen. Als der lange russische Konvoi sich auf die Stadt bewegte, wurde er offenbar von 30 Mann, die mit Quads unterwegs waren und Drohnen einsetzten, gestoppt (Link). Es gab keine Panzerschlacht, was nicht heißen soll, dass Panzer keinen Sinn mehr machen. Aber primär auf sie zu setzen, scheint nicht mehr zeitgemäß. Bewaffnete Drohnen sind m.W. unverändert in Deutschland verboten – dies gilt auch für die Bundeswehr.
Panzer-Besatzungen tragen ein hohes Risiko
Die russische Truppen haben bereits eine vierstellige Zahl an Panzern verloren. Dies weil sie offenbar schlecht gepanzert sind, aber auch weil sie eben getroffen, d.h. gefunden wurden. Im Podcast „Sicherheitshalber„, erstellt von Angehörigen der Bundeswehr-Uni Neubiberg (München), wurde sinngemäß gesagt: „Panzerbesatzungen, die sich mit ihrem Panzer eingegraben haben, verlassen ihn nicht mehr zum Pinkeln. Sie pinkeln in Flaschen. Dies aus Angst vor einer Drohne, die jegliche Bewegung wahrnehmen kann und sodann den Panzer beschießen würde.“
Die Alternative sich nicht zu bewegen ist aber auch nicht ungefährlich. Im Twitter-Kanal BlueSauron, der Videos von ukrainischen Erfolgen sendet, war zu sehen, wie ein ukrainischer Spähtrupp sich einem russischen Panzer nähert. Da er sich nicht bewegen darf, sah er offenbar nichts. Der Spähtrupp sprengte den Panzer einfach in die Luft. Damit stellt sich die Frage, sind wir überhaupt bereit viele Soldaten-Leben zu riskieren? Ich denke eher nicht.
Bundeswehr zeigt, wie leicht Panzer ausgetrickst werden können
Anfang des Jahres, aber vor Kriegsbeginn, hat die Bundeswehr gezeigt, wie sie in Zukunft gegnerische Panzer zerstören bzw. nutzlos machen will: Mobile Roboter können Panzerminen legen oder aber Geräusche bzw. Bewegungen vornehmen, die gegnerische Panzer ablenken. Tolle Sache, nur hat der Gegner das Gleiche nicht auch mit unseren Panzern vor? D.h. die Kosten eines Panzers, der effektiv Nutzen bringen wird, dürften immer weiter steigen.
Asovstal
Der Kampf um das Stahlwerk war täglicher Bestandteil der Medien. Am Rande erhielten wir Informationen über die hohen Verluste der Russen, die das Stahlwerk einnehmen wollten. Auch hier stellt sich die Frage, wäre unsere Gesellschaft bereit derart hohe Verluste in Kauf zu nehmen? Oder noch mehr: Wären sie überhaupt noch notwendig in Zeiten der Technik?
Der Zeitfaktor
Das Geld mag zeitnah bereit gestellt werden. Die Lieferungen dürften aber erst in Jahren kommen. Im Hinblick auf den technischen Fortschritt stellt sich daher die Frage, ob die klassische Militärtechnik nicht weiter an Bedeutung verlieren wird. Vereinfacht: Wenn Panzer, warum dann nicht ferngesteuerte? Wenn Gelände eingenommen werden soll, dann noch mit Soldaten oder doch besser mit Roboterhunden oder humanoiden Robotern? Die Preise dieser Roboter sind bereits heute für den Wehrbereich günstig: Roboterhunde kosten in Spitzenausführung um die 70.000 Euro, humanoide Roboter sollen in drei bis vier Jahren für etwa 400.000 Euro zu kaufen sein. D.h. in 10 Jahren wohl nur noch für 100.000 Euro. Hier einige Beispiele für Robotik im Militär: Link.
China experimentiert übrigens bereits mit Mikro-Drohnen, die in großer Anzahl durch Wälder fliegen und dann z.B. als Kamikaze-Drohne den Feind vernichten können. Derartige Drohnen werden in wenigen Jahren vermutlich nur noch einige Hundert Euro kosten. Die USA forcieren ebenfalls die Militär-Robotik.
Brauchen wir Forschung in Militär-Robotik?
Ich denke ja, wenn wir uns auch mittels Robotern verteidigen wollen, müssen wir hier eigenes know-how aufbauen. Erste Ansätze gibt es schon, aber wohl noch keine richtig großen Programme. Die braucht es aber. Ein mögliches Problem: Ich fürchte, unsere Verantwortlichen (seien es Politiker oder Militär) fehlt die Kompetenz. Hinzu kommt in Deutschland die starke Betonung moralischer Fragen („dürfen Roboter töten?“), die sich der Gegner nicht stellt. Fest steht, dass das Bundesamt für Beschaffung über keinerlei Akzeptanz verfügt. Weder in der Wirtschaft noch in der Politik.
Fazit
Ich bin der Ansicht, dass ein signikanter Teil der 100 Mrd. für Robotik verwendet werden sollte. Ob 10 oder 20 Mrd. ideal wären, können andere besser beurteilen. Konsens dürfte darin bestehen, dass wir die Fehler bei der Digitalisierung nicht wiederholen sollten. Bei der Digitalisierung hinken wir bekanntlich in allen Bereichen hinterher. Nicht nur bezüglich Netzabdeckung und Datendurchfluss, sondern auch bei den Möglichkeiten digitale Behördengänge etc. zu absolvieren.
Zudem ist aus einer Robotik-Forschung für die Bundeswehr eine Umwegrendite zu erwarten. Denn viele Entwicklungen werden in irgendeinder Form auch im Alltag in unserer alternen Gesellschaft eingesetzt werden können. Dieser Artikel weist zugleich darauf hin, dass der Beschaffungsprozess bei der Robotik anders als bei der konventionellen Wehrtechnik gehandhabt werden muß. In der konventionellen Wehrtechnik werden beispielsweise Flugzeuge oder Panzer mit Lieferdatum in fünf oder zehn Jahren bestellt. Wie aber die Robotik-Technik in einigen Jahren sein wird, ist heute noch nicht so klar. D.h. es braucht eine gewisse Ergebnisoffenheit. Klar scheint auch, dass nur Unternehmen in 100%ig deutschen oder zumindest EU-Besitz beteiligt sein dürfen.
Ein provokanter Nachtrag, der sich aus der Diskussion auf LinkedIn ergab: Womöglich ist es unmoralisch auf Roboter zu verzichten, da man dann unnötig das Leben von Soldaten riskiert.
(Das Beitragsbild zeigt die alte Zeit: Ein Panzermuseum in England.)