Kollaborativ nutzbare Linearachse Lorch Cobot Move
Ein Beitrag von Dr.-Ing. Caren Dripke, Abteilungsleitung Forschung und Entwicklung Robotik, Lorch Schweißtechnik GmbH
Cobots mit externen Achsen auszustatten bedeutet im Regelfall, sie mit zusätzlicher externer Sicherheitstechnik auszurüsten. Denn Standardkomponenten sind meist nicht für den kollaborativen Betrieb vorbereitet und bringen damit meist Quetsch- oder Scherstellen sowie hohe maximale Bewegungsgeschwindigkeiten – als Technologiemerkmal – mit. Das ist besonders schade, wenn dadurch echte kollaborative Tätigkeiten am System nicht mehr möglich sind, sondern der Cobot zu einem (meist teureren) Industrieroboter hinter Zäunen, mit Zustimmtastern oder Bereichsscanner o.ä. degradiert wird.
Um echten kollaborativen Betrieb auch mit externen Achsen sicherzustellen, müssen Gefährdungen im Betrieb am besten schon im Design der beteiligten Komponenten betrachtet werden. Entsprechend normativen Vorgaben ist hierbei die erste Maßnahme: Zur Gefährdungsreduzierung durch geeignetes technisches Design und Konstruktion erst gar keine Gefährdungsstellen wie Quetsch- und Scherstellen entstehen zu lassen. Ist das nicht möglich, kann mit zusätzlicher Sicherheitstechnik Abhilfe geschaffen werden. Das bedeutet aber meist die Investition in „gelbe Technik“, die mit Zusatzkosten zu Buche schlägt. Verständlich wieso dann oft die Lösung zum „Zaun drumherum“ gewählt wird.
Die Lorch Schweißtechnik hat seit Beginn des Jahres 2023 eine kollaborativ nutzbare Linearachse „Cobot Move“ als Erweiterung ihrer Cobot Welding World im Portfolio. Dabei wurde direkt bei der Konstruktion der Anwendungsfall der kollaborativen Nutzung bedacht: Das Achsdesign hat in seiner Mechanik keinerlei Quetsch- und Scherstellen (siehe Bilder) und die Verfahrgeschwindigkeit ist mechanisch limitiert, sodass nur „langsamere“ Bewegungen von bis zu 160mm/s möglich sind. Das ist im Anwendungsbereich der Schweißtechnik keine Limitierung der Produktivität, ist doch der wertschöpfende Prozess des Schweißens mit Prozessgeschwindigkeiten von meist 5 bis 15mm/s um ein Vielfaches langsamer. Zusätzlich ist das Einsatzgebiet des Lorch Cobots in vielen Fällen in Betrieben, die mit hoher Varianz kleinere Losgrößen an Bauteilen schweißen. Dort liegt durch die regelmäßige Neuprogrammierung des Systems der Fokus nicht allein auf der Optimierung der Taktzeit, sondern auf der langfristigen Entlastung von Handschweißern bei repetitiven oder besonders anstrengenden Schweißtätigkeiten.
Selbstverständlich hat die Linearachse Cobot Move neben der inhärenten Sicherheit durch das Design ohne Quetsch- und Schwerstellen trotzdem eine direkte Kopplung des Notauskreises, sodass die Linearachse sicher zum Stoppen kommt, sobald ein Notaus am System ausgelöst wird oder der Cobot, z.B. bei detektierten Kollisionen, in einen Sicherheitsstopp geht. Prinzipiell ist eine Bewegung der Linearachse nur möglich, sofern der Cobot initialisiert und betriebsbereit ist. Der Cobot selbst bleibt auch bei Bewegungen der Linearachse voll kollaborativ und detektiert Kollisionen. Sollte sich also ein Objekt im Verfahrbereich des Cobots befinden, stoppt das komplette System von Cobot und Linearachse direkt bei Detektion des Kontaktes. Der Wiederanlauf nach einem Sicherheitsstop bei einer solchen Kollision ist dank der vollständigen Integration direkt möglich, ohne die Notwendigkeit eines zusätzlichen Resets oder erneuten Homings der Linearachse Cobot Move zu bedingen. Eine zusätzliche Klemmungsdetektion an der Basis und die Rutschkupplungen des eingesetzten Cobots UR10e von Universal Robots vermeidet zusätzlich kritische Klemmungssituationen.
Die Linearachse Lorch Cobot Move kombiniert Anwendungsanforderungen aus der Schweißtechnik mit der kollaborative Arbeitsraumerweiterung:
Als Anforderungen aus der Schweißtechnik kommt vor allem die hohe (Wiederhol-)Genauigkeit, weshalb ein Kugelgewindetrieb für exakte Positionierung zum Einsatz kommt, der nur einmalig nach Hochfahren des Systems gehomt werden muss und ab dann ohne Genauigkeitsverlust verfährt. Zusätzlich ist das Einsatzumfeld in einer Schweißerei im Allgemeinen deutlich herausfordernder als in anderen Fertigungsbereichen, dies wird ebenfalls in Betracht gezogen, damit nicht durch z.B. Verschmutzung an Verlässlichkeit oder Genauigkeit eingebüßt werden muss. Noch dazu ist die gewählte Antriebsart sehr wartungsarm und hält die durchs Vorwärmen oder Schweißen entstehende Wärmeentwicklung in der Nähe der Achse sehr gut aus.
Die exakte Positionierung erlaubt es, auch während der langsamen Verfahrbewegung der Linearachse Cobot Move mit stehendem Lichtbogen zu schweißen. Schnellere Verfahrbewegungen werden im Programmablauf vor allem zum Umpositionieren der Cobotbasis genutzt, um die Zufahrbewegung zur nächsten Schweißnaht zu beschleunigen oder in einen anderen Arbeitsbereich zu wechseln.
Ein zusätzlicher Nutzen in der Anwendung ist, dass die Linearachse Cobot Move den Arbeitsraum vor und auch hinter der Achse voll zugänglich und nutzbar lässt. Dabei ist die Grundfläche der Achse sehr klein gehalten, sodass sie auch mittig auf einem Schweißtisch installiert werden kann und damit der Cobot auf einer umliegenden Fläche von etwa 2,5 Meter auf 4,5 Meter Werkstücke verschweißen kann.
Die Ansteuerung der Linearachse geschieht über das zugehörige Lorch Motion URCap und die einfache Integration der Positionierung im normalen Cobotprogramm. Der vergrößerte Arbeitsraum kann nach Kundenbedarf unterschiedlich genutzt werden: Zum Schweißen von großen Bauteilen in einem Durchgang, zur Umsetzung langer Schweißnähte oder der Einrichtung eines Nestbetriebs (siehe Bilder). Der Nestbetrieb erhöht die Produktivität, indem man durch eine einfache Trennwand zwei oder mehr Arbeitsbereiche vorbereiten kann, sodass dann in einem Arbeitsbereich produktiv geschweißt werden kann, während im anderen Arbeitsbereich Werkstücke vor- oder nachbereitet werden können.
Ein weiterer Vorteil ist die einfache Nachrüstung der Linearachse an bereits installierten Bestandssystemen: Wie bei allen Lorch myCobot Baukastenkomponenten kann die Cobot Move innerhalb von wenigen Minuten unter den Cobot montiert werden. Eine einfache Plug-und-Play Steckerverbindung und vorbereitete Schnittstellen ermöglichen damit auch die nachträgliche Erweiterung des Arbeitsraums auch bei bereits produktiv eingesetzten Systemen.
Quelle: Lorch Schweißtechnik GmbH