Festo: Gedanken zum neuen Cobot
Die Artikel zum angekündigten Cobot fanden reges Intereese. Festo hat am Mittwoch ja den weltweit ersten pneumatischen Cobot vorgestellt. Der Blog verzeichnet derzeit weit überdurchschnittliche Seitenaufrufe, auch aus den USA. Dort – der Blog kann zweisprachig berichten – habe ich die Artikel in sozialen Medien ebenfalls gestreut. Zeit nachzulegen, noch dazu, wo ich einige interessante Aspekte erwähnenswert finde.
Wieso wurde er lange vor der Markteinführung vorgestellt?
Die Markteinführung ist für 2023 geplant. Ich gehen davon aus, dass nicht der Jahreswechsel gemeint ist, sondern Wochen oder Monate nach diesem. Somit kann umso mehr spekuliert werden, warum der Cobot bereits jetzt enthüllt wurde. Mögliche Gründe könnten sein:
- Es fehlte ein Highlight für die anstehende Hannover Messe. Ein gewisser Druck in Sachen Robotik etwas mehr als bislang zu zeigen bestand sicherlich, aber ich denke, dass wird nicht der Hauptgrund gewesen sein. Festo hat auch andere Innovationen.
- Finanzierungsrunden von heutigen Robotik-Herstellern zu stören. Ich denke nicht, dass dies die Motivation zur Vorstellung war. Festo ist nicht Amazon (als der stationäre Buchhändler Barnes and Noble ankündigte an die Börse zu gehen, vermeldete Amazon eine Innovation nach der anderen um den Zugang des Wettbewerbers zu erschweren).
- Es werden Testkunden und Partner gesucht. Vielleicht ein Grund, wobei Festo mit etwas Arbeit Zugang zu jedem erhielte.
- Der eigene Vertrieb soll Richtung Cobots sensibilisiert werden. Dies kann in der Tat ein wichtiger Gesichtspunkt für die frühe Bekanntgabe gewesen sein. Denn der Vertrieb soll über die eigenen Mitarbeiter erfolgen. Wie dies in der Folge umgesetzt wird, bleibt abzuwarten. Der Kunde braucht i.d.R. mehr als nur einen Cobot. Der Vertriebsmitarbeiter braucht daher ein tieferes Verständnis von der Thematik. Produktwissen alleine reicht nicht aus.
Können pneumatische Cobots auch hohe Traglasten bewältigen?
Ich bin kein Techniker. Der vorgestellte Cobot kann 3 kg heben und benötigt hierfür Luft. Weitere Modelle sollen bei ähnlicher Traglast eine Reichweite von mehr als 670 mm haben. Nun meine Frage: Verbraucht ein pneumatischer Cobot mit z.B. 12 kg Traglast viermal mehr Luft oder potenziert sich der Bedarf? Ich frage, weil es irgendwann dann lauter werden dürfte. Ein schnaufender Cobot wäre kein Image-Gewinn. Ich unterstelle aber einmal, dass der Luftverbrauch nicht störend hoch sein wird.
Reichen die Arbeits-Daten?
Abgesehen von der Pneumatik erinnert mich der Festo an den Franka: Gleiche Traglast, ähnliche Programmierung, Sensitivität und kürzere Reichweite. Von Franka ist bekannt, dass seine Möglichkeiten häufig die Untergrenze des Geforderten decken – oder eben auch nicht. Daher stellt sich die Frage, was der Markt hergibt. Denn dank TQ ist Franka z.B. in der Leiterplattenindustrie gut unterwegs. Zudem ist der Franka sehr günstig und das Münchner Unternehmen hat jetzt Monate Zeit sich auf den neuen Wettbewerber vorzubereiten, z.B. mit einem industrieellen Upgrade des jetzigen Modells.
Zur Erinnerung: Das weltweit mit Abstand meistverkaufte Cobot-Modell ist der UR 10 von Universal Robots. Traglast 12,5 kg, Reichweite 1.300 mm. Es will auch aber nicht jeder Weltmarktführer werden. Festo adressiert wahrscheinlich sein Segment, in dem sein Vertrieb Zuhause ist. Vermutlich wird der Cobot Teil des „Automatisierungsbaukasten.“
Festo wie auch Bosch-Rexroth bevorzugen Arbeitstiere ohne „Schnickschnack“
Auffallend ist, dass beide Konzerne recht innovative Cobots ohne besondere Sensorik oder Software-Ausstattung favorisieren. Bosch-Rexroth hat sich ja mehrheitlich an Kassow Robots beteiligt. Damit zielen sie auf bestehende Märkte. David Reger, CEO von Neura Robotics, hat gesagt, dass die bestehenden Märkte weniger hergeben, da diese bereits besetzt sind. Mit seiner „MAIRA“ können Aufgaben erledigt werden, die vorher nicht machbar waren. Ein pneumatischer Cobot stellt eine Innovation dar, hat sie aber auch Zusatznutzen? Franka oder wohl auch der neue Schweizer „P-Rob Eco“ von F&P Robotics (Link) sind genauso leicht zu programmieren. Preisführer wird wohl für immer der igus bleiben. Hinzu klopfen verstärkt preiswerte chinesische Hersteller an europäische Türen. Preis & einfache Bedienung werden als Verkaufsargument alleine kaum ausreichen. Der Name „Festo“ kann ein Plus sein.
Festo und Bosch-Rexroth setzen hingegen auf ein starkes Marktwachstum bzw. gute Chancen im Verdrängungswettbewerb, wenn der Markt doch nicht so stark wächst. (Kassow hat Dank seiner siebten Achse ein Nischen-USP.) Aber klar, Konzerne denken seltener so wie Peter Thiel. Der Valley-Investor hatte 2014 gesagt „Wir wollten fliegende Autos, sie gaben uns 140 Zeichen.“ (Damals hatte Twitter nur 140 Zeichen.)
Gute Vorstellung, geringe Verbreitung
Vorgestellt wurde der Cobot sehr professionell in einem „Tech-Talk“. Die Verantwortlichen wurden befragt, es wurde vorgeführt. Eigentlich vergleichbar mit der Vorstellung der ABB-Cobots. (Link ethält auch Video zur „MAIRA“ – sehenswert.) Umso erstaunlicher erscheint, dass die Präsentation bislang nicht der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Vielleicht folgt dies noch.
Vernetzen wir uns? LinkedIn
-> Zur Cobot-Gruppe auf LinkedIn (Link) .
In eigener Sache/ Werbung
Der Autor dieses Blogs ist maßgeblich am KI-/ Robotik-Projekt Opdra beteiligt. Er berät Robotik-Firmen und Investoren bei den Fragen Marktanalysen und Finanzierung/ Förderungen. Mehr zu seiner Person finden Sie hier.