Humanoide Roboter von Tesla, NEURA & Co.: Gedanken
(Der Beitrag wurde vor der Tesla-Präsentation zum AI-Day erstellt und im Anschluss ergänzt.)
Vor über vierzig Jahren sangen Kraftwerk „Am Heimcomputer sitz ich hier, programmier die Zukunft mir“ (Musik unten). Mit weitaus größerem Aufwand entwickelt als am Heimcomputer haben zuletzt gleich drei Firmen Prototypen von humanoiden Robotern präsentiert. Tesla fing an und wurde zuerst von Xiaomi und am Donnerstag von NEURA Robotics eingeholt. Offenbar sind Autos doch keine Roboter, so dass know how bei Autos auf Robotik übertragbar wäre, wie Elon Musk meint. Aber: Die Präsentation von Tesla am Freitag zeigte das Potential auf. Preis unter 20.000 Dollar, Markteintritt bis 2027, war zu hören. Möglicherweise plant Samsung auch noch einen humanoiden Roboter.
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Marktreife kann noch Jahre dauern
Nikolai Ensslen, Chef von Synapticon, einem wichtigen Robotik-Zulieferer mit Sitz in Stuttgart und Niederlassung u.a. im Silicon Valley, sagte dem Handelsblatt vor der AI-Day-Präsentation zur Serienreife bei Tesla: “ „Das dauert mindestens fünf, wenn nicht zehn Jahre.“ Denn während bei Robotern bereits 7 Freiheitsgerade etwas Besonderes sind, besteht ein humanoider Roboter eher aus 50 Gelenken. Auch David Reger sieht sein gestern vorgestelltes Modell nicht morgen am Markt, sondern eher in einigen Jahren. In einem Blog-Eintrag wurde die Phantasie auf das Jahr 2030 gerichtet. Egal, so oder so werden die humanoiden Roboter kommen. Erst später, auch wenn bereits jetzt „getrommelt“ wird.
Markt und Gesellschaft haben noch Zeit wichtige Fragen zu beantworten
David Reger hatte gestern bei der Vorstellung seines humanoiden Roboters bereits drei wichtige Fragen gestellt:
- Braucht unsere Gesellschaft humanoide Roboter?
- Wenn ja, sollen sie Emotionen zeigen oder wie eine Maschine wirken?
- Es soll der Gesellschaft bewußt werden wie weit die Robotik bereits ist. Wenn ein humanoider Roboter gebaut werden kann, wie kann sie dann noch am Nutzen von Cobots und der übrigen Robotik zweifeln?
Hier möchte ich meine Gedanken wiedergeben. Zu 1.) kommt meinerseits ein ganz klares Ja. Die Frage lautet für mich eher, gibt es Grenzen bzw. wie hart sind diese? Es gibt für uns alle existenzielle Bereiche, die womöglich nur durch humanoide Roboter aufrecht erhalten bleiben können. Ein Beispiel: Die Müllentsorgung. Was machen wir ohne Müllmänner? Hier könnten humanoide Roboter das System aufrecht erhalten. Für mich ebenfalls absolut sinnvoll wäre der Einsatz als Pfleger im Altenheim. David Reger hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass ein Roboter hier das Selbswertgefühl des Pflegebedürftigen schützen kann. Für viele Ältere dürfte es regelrecht erniedrigend sein von Fremden gewaschen zu werden. Ich zumindest hätte Schuldgefühle. Da wäre ein Roboter perfekt.
Für unsere deutsche Gesellschaft schwierig wären humanoide Roboter im Bereich der Sicherheit. Die G20-Krawalle mit hunderten verletzten Polizisten haben gezeigt, dass wir „Mann-gegen-Mann-Kämpfe“ für ganz normal halten. In der Schweiz, die heute bereits mobile Absperrgitter und Gummigeschosse einsetzt um mit wenigen Polizisten größere Versammlungen unter Kontrolle zu halten, dürften humanoide Roboter wesentlich eher im Sicherheitsbereich zum Einsatz kommen können. In Diktaturen schließlich scheint alles möglich zu sein.
Zu 2.) Bei den Emotionen muß wohl unterschieden werden. Einerseits gehts es um das Zeigen von Emotionen. NEURA Robotics hat seinem Roboter mit “4NE-1” einen typischen Maschinennamen gegeben. Emotionen würden zu diesem ehr nicht passen. Gegen Emotionen spricht aber letztlich m.E. wenig. Xiaomi hat bereits angekündigt, dass sein humanoider Roboter Emotionen des Menschen z.B. an dessen Stimme erkennen und entsprechend handeln soll. Der Mehrwert würde so zunehmen. Schwierig wären allenfalls Emotionen gegenüber Kinder. Diese geniesen m.E. einen Vertrauensschutz. Ein Roboter, der Emotionen vortäuscht wäre problematisch.
Zu 3.) Unsere Gesellschaft stellt ein schwieriges Thema dar. Hier müssen wir wohl aufpassen sie nicht zu überfordern und dürfen auch keine zu großen Erwartungen wecken. Ich denke über Service-Roboter in der Gastronomie kann die Masse der Menschen langsam an die Robotik herangeführt werden. Dazu kommt die zunehmende Verbreitung der Cobots in Unternehmen. Auf jeden Fall sollte klar kommuniziert werden, dass es noch Jahre dauern wird, bis eine breite Verbreitung erfolgt. Zuvor kommen erstmal die Haushaltsroboter.
Sonstige Aspekte
Es ist alles eine Kostenfrage. Sobald ein humoider Roboter soviel kostet wie die Integration eines Roboterarms kann er diesen übersetzen. Heute kostet die Anpassung eines Fertigungsprozesses an den Cobot häufig nochmals so viel wie dieser oder mehr. Wenn aber ein humaoider Roboter einfach ohne jegliche Anpassung arbeiten könnte, dürften die Cobots unter Druck geraten. Ich halte sie daher schon seit längerem für eine Übergangstechnologie, die aber ihre besten Jahre noch vor sich hat. D.h. heute oder morgen ruhig einen Cobot kaufen. Es lohnt sich!
Was aber macht den humanoiden Roboter für die Fertigung so besonders? In einem beachtlichen Teil der Fälle wahrscheinlich nur seine zwei Arme. Vielleicht sollten mehr Roboterarme als bisher zusammenarbeiten und auch mit Händen versehen werden. Bei der automatica waren bereits zusammenarbeitende Cobot-Arme bei Agile Robots und NEURA Robots zu sehen. Die Möglichkeit des Gehens dürfte für die Industrie nicht ganz so wichtig sein – außer mobile Roboter samt Arm sollen ersetzt werden.
Wie bekannt, bin ich ein Gegner der Robotersteuer (Grund: Roboter ersetzen eher gering Qualifizierte. Diese kosten das Sozialsystem aber Geld, d.h. ihr Wegfall als Beitragszahler schadet dem System kaum. Und: Wenn ein Unternehmen durch Roboter-Einsatz mehr Gewinn macht, zahlt es auch mehr Steuern.)
Aber: Heute reduzieren Roboter den Fachkräftemangel. Was passiert aber, wenn humanoide Roboter einen Menschen bei niedrigeren Kosten ersetzen können? Dann hätten wir wieder Arbeitslosigkeit, die finanziert werden muß. Wenn diese Gefahr droht, würde eine Robotersteuer sicherlich Sinn machen. Vielleicht bereits vorher weil der Staat das Geld einfach benötigt.
Gesamtkonzept: Betrachte ich, dass NEURA Robotics mit Maira (kognitiver Roboter mit starker KI), MAV (mobiler Roboter) und Mipa (Haushaltsroboter) bereits drei Roboter vorgestellt hat, die zusammen am ehesten ein überzeugendes Gesamtkonstrukt geben können, halte ich den Neura-Ansatz für am vielversprechendsten. Xiaomi hat zwar eine hohe Kompetenz bei der KI, aber m.W.nicht bei der Mechatronik. Im Bereich Robotik & KI haben auch die chinesischen Roboterhersteller m.W. noch wenig zu bieten. Ähnlich schaut es bei Tesla aus. Hier stellt sich zudem die Frage nach der Machbarkeit der genannten Relation Eigengewicht zu Traglast von weniger als 1,5. Selbst Roboterarme wiegen heute schnell dreimal so viel wie sie heben können. Dabei müssen sie nicht einmal das Gleichgewicht halten, da fest montiert.
Die Tesla-Vorführung war gut. Es ist davon auszugehen, dass CEOs anderer Konzerne nun Panik bekommen („verschlafen wir schon wieder was?“) und sich des Themas annehmen werden.
Jugend: In Deutschland vernachlässigt sie die MINT-Fächer. Vielleicht werden sie nun interessanter für Schüler/ Schulabgänger.
P.S: Das Kommentarfeld ist unten geöffnet – ohne Registrierung. Interessant wäre zu erfahren, was Vertreter von Robotik-Firmen, die sich bislang nicht einmal für KI interessieren, meinen.
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In eigener Sache/ Werbung
Der Autor dieses Blogs ist maßgeblich am KI-/ Robotik-Projekt Opdra beteiligt. Er berät rund um Robotik. Mehr zu seiner Person finden Sie hier.