Cobots: Gedanken zur ihrer Preisgestaltung
Als Radsportfan kaufe ich gerne Alpecin. Wenn der Radsport schon kostenlos verfolgt werden kann, sollen wenigstens die Sponsoren etwas verdienen, so meine Denke. Denn wenn die Sponsoren zufrieden sind, finanzieren sie weiter die Teams. Zu den Sponsoren gehört der Shampoo-Hersteller Alpecin. Bei einem Packungspreis von 5 bis 8 Euro nicht günstig, aber soviel brauche ich ja auch nicht. Dennoch war ich geschockt als ich letztens bei Rossmann war. Die Drogeriekette hat nun ein eigenes Coffein-Shampoo für läppische 65 Cent an (Foto oben). Der Vergleich des Literpreises zeigt, dass Alpecin um den Faktor 10 teurer als die Rossmann-Eigenmarke ist. (Und da ich viele Jahre Beirat eines Kosmetikherstellers war, weiß ich, dass Billigprodukte häufig eine vergleichbare Qualität haben.) Da begann ich nachzudenken.
Robotik: Überbewertung der Amortisationszeit
Marktführer Universal Robots warb schon vor Jahren mit der kurzen Amortisationszeit der Cobots. Dennoch entsprach die Nachfrage bei weitem nicht den Erwartungen. Seit einem Jahr ist nun ein spürbarer Anstieg der Nachfrage wahrzunehmen. Corona dürfte hierfür ein Grund sein: Cobots benötigen keinen Mindestabstand, können sich nicht infizieren und generell ist der Fachkräftemangel nicht geringer geworden. Im Vergleich zu den Vor-Corona-Zeiten hat die Amortisationzeit nicht merklich abgenommen, dennoch klappt es nun mit dem Absatz. (Allerdings gibt es jetzt auch Programmierhilfen und immer interessanteres Zubehör.) Die größere Nachfrage bei vergleichbarer Amortisationszeit ist für mich ein Indiz, dass der Verkaufspreis sekundär ist. Für die Kaufentscheidung eines Mittelständlers gibt es zunächst k.o.-Kriterien, die auch nicht mit Billiglösungen beseitigt werden können. Hierzu zählen die Sorge um ein Nichtgelingen der Automatisation, gerade wenn durch sie eine funktionierende Fertigung verändert werden muß, Angst an Flexibilität zu verlieren oder auch, dass man Mitarbeiter nicht freisetzen möchte. Gerade auf dem Land, wo jeder jeden kennt und womöglich mit ihm zur Schule gegangen ist, ein wichtiger Aspekt.
Zu Beginn wollten nur wenige Tesla fahren
Ich denke, zusätzlich gibt es einen weiteren wichtigen Aspekt für den jetzt erfreulicheren Absatz: Die Verbreitung der Cobots hat mittlerweile eine kritische Mindestgröße erreicht. Zudem hat ihre fortwährende Nennung in den Fachmedien zu einer Vertrautheit geführt. Diese Vertrautheit hat im zweiten Schritt zum Aufbau von Vertrauen in die Technik geführt. Zugleich haben mittlerweile viele irgendwo einen Cobot in Betrieb gesehen – Stichwort „Leuchtturm-These„. Die genannten Aspekten bedeuten letztlich, dass Cobots nicht so günstig sein müssen wie sie oft sind. Allerdings besteht das Problem des Preisvergleichs. Wären alle Cobots beispielsweise 10 oder 20% teurer, würden sie vermutlich weiterhin gekauft und die Absatzanteile der einzelnen Marken würden sich kaum ändern. Dadurch aber, dass es Vergleiche und somit einen Preiswettbewerb gibt, ist die preisliche Luft nach oben doch geringer.
Wie werden die KI-Cobots wahrgenommen?
Preislich betrachtet stehen in den kommenden Monaten möglicherweise Veränderungen an. Die bisherigen Kosten-/ Nutzen-Relation können sich durch die neuen Wettbewerber Neura Robotics und Agile Robots verschieben. Diese beinhalten unübersehbar Künstliche Intelligenz samt Sensorik. Sieht der potentielle Nutzer in diesen einen Mehrwert, dürfen sie auch mehr kosten als ansonsten vergleichbare Cobots ohne KI. Werden diese Cobots also günstig angeboten, müßten die vergleichbaren Cobots ohne KI günstiger werden. Ansonsten droht ein potentieller UR 3e- oder UR 5e-Kunde doch einen Agile Cobot zu kaufen. Insofern können die neue Modelle das bestehende Preisgefüge durcheinander bringen. Universal Cobots zieht daher bereits die Karte der Qualität. Mit UR kann auf gleichbleidendem Niveau gefertigt werden und die Cobots sind für 24/7 geschaffen, so das Hauptargument der Werbung (Link). Dieser Sicherheits-Aspekt stellt für ein KMU wiederum einen Werttreiber dar. Aber: Im Laufe der Zeit werden die neuen Wettbewerber ebenfalls ihre Langlebigkeit unter Beweis stellen können und entsprechende Referenzen vorweisen. Das Qualitätsargument verschafft daher nur Zeit, aber wahrscheinlich keinen dauerhaften Wettbewerbsvorteil.
Online-Shops sind nicht ungefährlich
Rückblickend könnte 2021 als das Jahr in die Robotik-Historie eingehen, in dem Online-Shops erstmals ernsthaft betrieben wurden. Nun gibt es einige Online-Händler, die auch wirklich präsent sind. Dazu ist mit ABB erstmals ein Hersteller in den Internet-Handel eingestiegen. Kaum einer der Beteiligten glaubt zwar, dass Cobots einfach per Mausklick gekauft werden, aber zur Kontaktanbahnung werden die Shops geschätzt. Allerdings stellt sich damit die Frage nach dem dargestellten Verkaufspreis. Preis-Dumping im eigentlichen Sinne ist bislang nicht zu beobachten. Es wird zum Listenpreis angeboten. Aber: Die Listenpreisen können sich von Land zu Land unterscheiden, auch in Abhängigkeit von Wechselkursen, der lokalen Kaufkraft (damit andere Amortisationszeit) und natürlich dem Wettbewerb. Somit stelle ich mir die Frage, ob beispielsweise Schweizer Interessenten, die auf deutschen Online-Seiten surfen, nicht preislich verdorben werden.
Braucht es aus preislicher Sicht Lieferengpässe?
Wie oben ausgeführt, würden sich Roboter vermutlich auch gut bei einer längeren Amortisationszeit verkaufen, d.h. wenn sie teurer wären. Der Wettbewerb und die gewohnten Preisen unterbinden nun aber Preiserhöhungen. Die Automobilindustrie kannte bislang im Kleinen das Thema der künstlichen Verknappung: Ferrari fertigt nur 8.000 Auto im Jahr und damit weniger als nachgefragt werden. Hierdurch kann Ferrari im Gegenzug fast jeden Preis durchsetzen. Gut, Cobots sind von der Nutzeneinschätzung eher mit gewöhnlichen Autos zu vergleichen.
2021 war für die deutschen Autohersteller objektiv schlecht: Ihr Weltmarktanteil sank von 18% auf 15%. VW produzierte so wenig Autos in Wolfsburg wie zuletzt 1958. Dies allein mit dem Chipmangel zu begründen, ist falsch. Denn bereits zuvor sanken die Produktionszahlen in Wolfsburg. Nicht so brutal, aber immerhin. Die deutsche Automobil-Industrie hat strategische Probleme, die jedoch von der Chip-Krise und ihren positiven (!) Auswirkungen verdeckt werden. Da die Hersteller kaum liefern können, müssen sie nur pro forma Mini-Rabatte gewähren. Zugleich liegt der Restwert der rückkommenden Leasingfahrzeuge deutlich über dem kalkulierten Wert, so dass sie auf dem nun höher preisigen Gebrauchtwagenmarkt mit Gewinn verkauft werden können.
Angesichts dieser Fallstudie könnte man meinen, dass Lieferengpässe durchaus den Verkaufspreis der Roboter derart in die Höhe treiben könnten, dass die Nachteile (geringeres Volumen) mehr als ausgeglichen werden könnten. Reine Theorie, denoch für den Hinterkopf nicht uninteressant: Knappheit kann auch ein Gutes haben.
Es bleibt bei der Theorie – der Wettbewerb wird härter
Rational mögen höhere Roboterpreise darstellbar sein. Ich denke aber, dass der „Zug“ abgefahren ist. Der Wettbewerb wird stärker, sei es durch Gier nach schnellen Marktanteilen (finanziert durch Investoren) oder auch durch unterstellte Subventionen. Universal Robots hat kürzlich faktisch den Preis seines Erfolgsmodells UR 10 gesenkt: Seine Traglast wurde bei unverändertem Verkaufspreis um 25% erhöht. Womöglich macht der UR 10 ab und zu jetzt seinem teureren Bruder UR 16 Konkurrenz. Um dem Preisvergleich zu entgehen können alternative Preismodelle wie RaaS interessant sein. Franka Emika plant dies nun (Link). Die Frage ist allerdings wie der Aufwand ringsherum (Programmierung, Zubehör) abgegolten wird.
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Der Autor dieses Blogs ist maßgeblich am KI-/ Robotik-Projekt Boost-Bot beteiligt. Er berät Robotik-Firmen und Investoren bei den Fragen Markt (-eintritt)/ Business Development und Finanzierung/ Förderungen. Mehr zu seiner Person finden Sie hier.