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Yuanda hat Insolvenzantrag gestellt und wurde (02.04.22) übernommen

Nachtrag: Der Artikel wurde am 09.02.22 veröffentlicht. Am 02.04.22 gaben die beiden Gründer Kotlaski und Ortmair bekannt gemeinsam mit Philipp Georgi das Unternehmen übernommen zu haben um es fortzuführen. Am 01.07.22 erschien ein Artikel mit den vorerst finalen Informationen.


Ich habe einige Zeit überlegt, ob ich diese Meldung veröffentlichen soll. Denn einerseits kann es theoretisch (s.u.) noch Gespräche geben, Andererseits wurde ich bereits aus der Branche angesprochen, so dass die Info über die Insolvenz längst die Runde machte. Schließlich erfolgte die Anmeldung bereits am 19.01.2022. Insofern hatten alle direkt in der Insolvenz involvierten Personen einen Zeitvorsprung. Nachdem heute das Finance-Magazin und andere über die Insolvenz berichten, ist sie publik. Und vielleicht wird mittels dieser Veröffentlichung ein Investor gefunden, der Interesse an einer Übernahme hat. Diesen Investor gibt es vielleicht bereits (s.u.).

Unternehmenshistorie

Yuanda wurde 2017 in Hannover gegründet und kann als Spin-Off der dortigen Uni bezeichnet werden. Gesellschafter waren zu 70% die chinesische Shenyang Yuanda Alumimium Group und zu 30% direkt bzw. indirekt die deutschen technischen Köpfe. Die (Branchen-fremden) chinesischen Partner sollten fertigen und den rieisgen chinesischen Markt erschließen. 2018 erfolgte der erste Messe-Auftritt und die Vorstellung des “Yu”. Der Name wurde abgeleitet aus dem englischen “unique”, also einzigartig. Denn der “Yu” sollte KI incl. Bilderkennung, Konnektivität und Sicherheit vereinen. Der damals hier spekulativ genannte Preis von 10.000 € (Basis war der chinesische Hintergrund samt Fertigung dort und die relativ geringe Traglast) erwies sich als völlig falsch. Der “Yu” kostet fast 30.000 €. Über vier Jahre blieb der “Yu” das einzige Produkt und kämpfte m.W. noch im Herbst 2021 mit der Zulassung.

Stillstand um 2020, Expansion in 2021

Nicht immer berichte ich über meine “Beobachtungen”. Bei Yuanda war mir aufgefallen, dass sich gerade seit etwa Anfang 2019 bis Frühjahr 2020 (also vor Corona!) wenig tat: Kaum Pressemeldungen, kein Aufbau eines Verkaufs, der eigentlich naheliegend gewesen wäre und dazu über Monate unveränderte Website samt Stellen-Angebote für relativ einfach zu besetzende Positionen wie Assistenz Geschäftsführung.

Aitme war Proof-of-concept

Bei all der vermeintlich längst in 2020 bestehenden Probleme (noch dazu Corona!) schaffte Yuanda den Gewinn des “Beauty Contest” bei Aitme. Aitme, von namhaften Investoren finanziert, hat eine Kochbox entwickelt, in der zwei “Yu” arbeiten (Link). Die Entscheidung für den “Yu” war eine Ausszeichnung für Yuanda, noch dazu wo bei Aitme mit Til Reuter der ehemalige Kuka-CEO zu den Investoren gehört. Gerade er dürfte sich den verwandten Cobot genau angeschaut haben, ist er doch von hoher strategischer Bedeutung für den Erfolg von Aitme. In Kenntnis der finanziellen Rahmenbedingungen hatte ich mich damals schon gewundert. Für die Verifizierung solcher Entscheidungen wie auch für Investitions-Entscheidungen biete ich übrigens eine Due Diligence Robotik an – mit geringem Zeiteinsatz wird das Umfeld incl. Markt/ verfügbare Zahlen analysiert. – Aitme hat zwischenzeitlich 12 Mio. US-$ erhalten.

Hohe Entwicklungskosten

Die nun für 2020 vorliegende Bilanz legt nahe, dass Ende 2020 das Geld überaus knapp war. Dies würde den erwähnten Stillstand erklären. Seit der Gründung waren bis Ende 2020 Verluste in Höhe von 5,2 Mio€ angefallen, die gedanklich um die Aktivierung von immateriellen Vermögensgegenständen (Entwicklungen) in Höhe von 8,8 Mio€ zu ergänzen sind. D.h. binnen 3 1/2 Jahre mußten incl. Vorräte etc. rund 16 Mio€ finanziert werden. Ich denke, es hätte auch preiswerter gehen können. Ein vormaliger Artikel zu den Entwicklungskosten von Cobots werden ich demnächst wohl detaillieren. Allerdings nutzt Yuanda auch eine Kamera und hat für diese entsprechende Software entwickelt. Insofern erklärt dies einen gewissen Mehraufwand.

2020 war wohl auch das Jahr der enttäuschten Hoffnung für Yuanda. Anfang 2020 wurde – offenbar voreilig – die erfolgreiche Finanzierungsrunde A+ gemeldet. Laut Link wurden 20 Mio€ eingeworben. Diese kamen aber nie, wie sowohl die Bilanz 2020 wie auch die seit 2018 unveränderte Gesellschafterliste zeigen. Mir war damals, wie erwähnt, die Diskrepanz zwischen vermeintlichem Geldzufluss und statischem Verhalten aufgefallen.

Was geschah 2020?

Die deutschen Gesellschafter von Yuanda verkauften im Sommer 2020 ihr erfolgreiches Automatisierungsunternehmen forward ttc GmbH. Dieses hat sich seitdem unter dem neuen Namen avateramedical Digital Solutions GmbH auf Medizin-Robotik spezialisiert. Zwei der drei Yuanda-Gründer haben in der Folge Yuanda verlassen. Darüber ob sie den Verkaufserlös in Yuanda investiert haben, kann nur spekuliert werden. Auf jeden Fall kam es in der Folge zu einem Personalaufbau auf zuletzt 75 Mitarbeiter (Quelle Finance-Magazin) und deutlich sichtbaren Marketing-Aktivitäten. Die unterstellten wenige Roboter-Verkäufe in Deutschland können die monatlichen Fixkosten in deutlich sechsstelliger Höhe nicht getragen haben. Ob es in China deutlich höhere Absätze gab und wenn, ob Geld nach Deutschland geflossen ist, ist nicht bekannt. Mir liegt eine detaillierte Übersicht der Marktanteile von Cobot-Herstellern in China vor – Yuanda ist in dieser nicht enthalten. Der Kapitalbedarf bis Ende 2020 kann nachvollzogen werden (s.o.). 2021 dürften wohl nochmals über 5 Mio€ benötigt worden sein.

Wie kann es weitergehen?

Da alle nennenswerten Verbindlichkeiten die Gesellschafter betreffen dürften (also kaum Banken/ Lieferanten – Motoren kommen von Kollmorgen), dürften ganz primär die Gesellschafter Gläubiger sein. Die Aufgabe des Insolvenzverwalter liegt typischerweise darin, das Maximale für die Gläubiger zu erzielen. Die Gläubiger sind aber (unterstellt) mehrheitlich die Gesellschafter. Diese müssen einer Verwertung zustimmen. Dennoch, wenn diese dazu bereit sind, wäre ein Abverkauf zumindest der Patente denkbar. Vielleicht ist auch eine Fortführung machbar. So war es der Fall bei Rethink Robotics. Rein spekulativ: Da die Insolvenz für die Beteiligten nicht überraschend kam, hatten sie Zeit zur Suche. Für wenig Geld könnten sie einem potentiellen Investor ein eingespieltes Team mit fertigem Produkt samt Patente anbieten. Vielleicht liegt die Zukunft ja nicht im Massenmarkt, sondern in der Medizintechnik.
Im Insolvenzportal werden Unternehmen und Produkt in höchsten Tönen gelobt (Link).

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In eigener Sache/ Werbung
Der Autor dieses Blogs ist maßgeblich am KI-/ Robotik-Projekt Opdra beteiligt. Er berät Robotik-Firmen und Investoren bei den Fragen Marktanalysen und Finanzierung/ Förderungen. Mehr zu seiner Person finden Sie hier.

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